Interna aus dem Autorenleben | Sympathie vs. Antipathie oder: Die Krux, wenn der Leser deinen Unsympathen liebt

Die endgültige Überarbeitung eines Manuskripts, das aus dem Lektorat zurückkommt, ist nicht nur der Zeitpunkt, wo es darum geht, die letzten sprachlichen Stolperstellen einzuebnen. Sondern es heißt auch und vor allem, seine (mehr oder minder liebgewonnenen) Figuren mit einem kritischen Blick zu bedenken.
Da es sich bei „Falkenherz – Bewährung der Schildmaid“  um eine – wenn auch unabhängig lesbare – Fortsetzung der Schildmaid-Saga handelt, ist es natürlich wichtig, die in „Die 13. Jungfrau“ angelegte Charakterisierung der Protagonisten im Auge zu behalten und ihre Entwicklung ohne Bruch weiterzuführen.
Wer mein Debüt kennt, weiß, dass es im Buch hieß, von einer erklecklichen Anzahl der Figuren Abschied zu nehmen – doch nicht von allen.

Einige kommen dann doch noch einmal vor – wenn auch nur als Erinnerungen Melwyns.
Unter anderem eine Figur, die für mich beim Schreiben von „Die 13. Jungfrau“ den Widerling par excellence darstellte: Kevern.
kevern
Ich muss ein wenig ausholen, um das richtig darzustellen: Wie schon mehrfach erwähnt, schrieb ich mein Debüt ja auf eine recht unorthodoxe Weise, indem ich mir zunächst die Wendepunktszene des Manuskripts quasi als Traumbewältigung von der Seele schrieb, dann verwundert feststellte, dass es sich ziemlich gut las und ermutigt vom Feedback einer Kollegin aus der Schreibgruppe ein Arbeitsexposé drumherum gebastelt habe, ehe ich erst einmal die zweite Manuskripthälfte (lückenhaft) fertigschrieb, um mich dann erst dem Anfang und der ersten Hälfte von Melwyns Reise zuzuwenden.
Im Arbeitsexposé kam besagtem Kevern eine klitzekleine Rolle zu.
Er war nur der Anführer der kornischen Kämpfer, die zur Begleitung der Fürstentochter und ihrer Ehrenjungfern abgestellt waren.
Aber indem ich schrieb, erwachte er zum Leben und entwickelte eine ganz eigene Vorstellung, welche Rolle er zu spielen gedachte. Ich ließ ihm weitestgehend freie Hand (wohl wissend, wie es mit ihm enden würde) und zum Ausgleich für das, was er mit Melwyn trieb, schrieb ich ihm – auf Rache sinnend – ein Aussehen zu, das mich so richtig schütteln ließ. Bah! Gar nicht mein Typ!
So, und dann hatte ich das Manuskript fertig und schickte es los – und es kam jener denkwürdige 13. Juli 2015, und mit ihm das Telefonat mit dem Verlag Schruf&Stipetic, die mein „Baby“ herausbringen wollten.
Ich war ziemlich happy und ziemlich aufgedreht, denn so viel Lob aus berufenem Munde (ich hatte in der Zwischenzeit ja schon einige Veröffentlichungen des Verlags gelesen und mir ein Bild von der hohen Qualität gemacht) ist nicht alle Tage zu hören.
Aber als die Sprache auf Kevern kam,  und wie gut mir der doch gelungen sei in seiner Vielschichtigkeit … und ich wirklich so etwas wie Verliebtheit aus den Worten der Verlegerin heraushören musste …
Da war ich erst einmal nur am Schlucken.
Zum Glück fiel das wohl nicht auf, denn die Lobeshymnen für meinen ungeliebten Kevern verstummten nicht, und bis ich dann wieder etwas sagen musste, hatte ich mich gefangen und heuchelte Verständnis  und bedankte mich artig für das Lob.
In der Folge versank diese Episode erst einmal in der Versenkung – bis nach der Veröffentlichung die ersten Leserfeedbacks eintrudelten, und darunter nicht oft, aber immer wieder, diese für mich zutiefst verstörende Anerkennung für Kevern.
Als es nun daran ging, mit „Falkenherz – Bewährung der Schildmaid“ Melwyns Abenteuer weiterzuschreiben, war klar, dass auch Kevern darin vorkommen würde, wenn auch nur in ihrer Erinnerung bzw. in Gesprächen.
Und da ließen mich diese Lesermeinungen nicht los.
Wer war Kevern wirklich gewesen? Hatte ich recht mit meiner bauchgesteuerten Abneigung oder die Leser, die ihn mochten, die ihn als „Kind seiner Zeit“ bezeichneten und gar mit Ifill auf eine Stufe stellten als „anregend, hübsch anzusehen und sehr sexy, jeder auf seine Art“.


Die Macht des Lesers.

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Zudem waren es durchweg sehr kluge Leserinnen, die sich derart äußerten, sodass mir klar wurde – Kevern hat sich ja quasi selbst erfunden: Da hat sich ein wirklich nicht so übler Kerl in das Licht der Welt zwischen Buchstabenreihen gekämpft.
Deshalb habe ich versucht, in „Falkenherz – Bewährung der Schildmaid“ nicht nur Kevern in der Retrospektive ein ehrendes Andenken für seine zeitgemäße Art zu bereiten, sondern auch ein wenig seiner Vielschichtigkeit Ifill angedeihen zu lassen, der infolge der tiefrosarot gefärbten Brille der Verliebtheit, die Melwyn während ihrer ersten gemeinsamen Monate trug, in „Die 13. Jungfrau“ nicht annähernd mit allen Facetten dargestellt werden konnte.


Wie Lesermeinungen den Autoren beeinflussen.

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Ich habe mein Bestes getan, versucht, die Anregungen und Gedankenanstöße der Leser aufzunehmen – und ja, inzwischen bin ich wirklich soweit, dass ich im Brustton der Überzeugung sagen kann:
„Guter alter Kevern. – In einem anderen Leben wäre er Melwyn sicher irgendwann ein guter Ehemann geworden.“

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