Liebe vs. Fußball

https://www.museen.nuernberg.de/fembohaus/dauerausstellung/zeitreise-durch-die-geschichte-nuernbergs/sigena-urkunde/

Neulich stieß ich in einem Schriftstellerforum auf eine gewagte These einer angehenden Kollegin betreffend Authentizität in historischen Romanen:

Sie behauptete: Das Thema „Liebe“ wäre früher ein ganz anderes gewesen als heute.
Einen Liebesroman im Mittelalter spielen zu lassen, sei natürlich eine hübsche Idee.
Aber sie bezweifelte, ob das authentisch sein könnte.
Sie fragte: „Wurde die Liebe damals so „hoch gehalten“ wie heute?“ und antwortete selbst: „Nein.“
Zu anstrengend wäre der Überlebenskampf, zu streng die gesellschaftlichen Normen, zu rau der Alltag gewesen.

Einspruch!

„Liebe besaß früher nicht den Stellenwert wie heute …“ – diese Aussage ist falsch, wie ich nachfolgend belegen möchte.

Vorab jedoch ein Zitat der großartigen Rebecca Gablé *:

Das Mittelalter war viel besser als sein Ruf:
Es erfand nicht nur das, was Frauen für das Wichtigste im Leben halten – die Liebe – sondern ebenso das, was Männer für das Wichtigste im Leben halten, nämlich den Fußball.
Natürlich war es finster, so wie das 21. Jahrhundert ja auch oft finster ist, aber gleichermaßen bunt und voller Lebensfreude, gelegentlich absurd und urkomisch, bevölkert von sonderbaren Heldinnen und Helden, die offiziell noch nicht entdeckt hatten, was ein Individuum ist, und doch mit Schläue und Finesse genau das taten, was sie wollten.

Es gibt keinen besseren Stoff für einen Roman als das Mittelalter.

Rebecca Gablé

Genauso sehe ich das auch: Liebe ist universell und zeitlos.

Schließlich beruht sie auf biochemischen Prozessen, auf Hormonausschüttung und Rezeptorstimulation, die sich nicht erst innert der letzten zwei Jahrhunderte entwickelt haben, sondern viel eher in den unendlich langsamen Zeitbegriffen der Evolution zu messen sind.

Zu behaupten, Liebe sei ein Konstrukt, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, wie im weiteren Verlauf der Diskussion in jenem Forum geschehen, erinnert schon fast an die Absurdität der Behauptungen von Kreationisten.

Liebe gab es schon immer und wird sie immer geben.

Bei den Recherchen zu meinen historischen Romanen fand ich herzbewegende Liebesverse – die circa im 12. Jahrhundert in Runenschrift eingraviert wurden.

Natürlich wurden damals und noch früher Ehen meist arrangiert, aber gerade im germanischen Raum war es unheimlich wichtig, die Braut mit Respekt zu behandeln – auf dass daraus Zuneigung und Liebe erwachsen sollte.

So empfiehlt die Hávamál:
„Lob … die Braut nach der Hochzeit, eh es bricht das Eis.“
(zitiert in der Simrock-Übersetzung)

Es gab festgelegte Verhaltensweisen, wie ein (verliebtes) Paar das Einverständnis des Brautvaters erzwingen konnte.

Abgesehen von der literarischen Umsetzung des Themas – als Naoise und Deirdre in der Erzählung Longas mac nUislenn sind Tristan und Isolde bereits im 9. aus dem keltischen Raum bekannt – sollte, wie meine Kollegin Bianca mich zu recht hinwies, jedem, der sich mit historischen Romanen beschäftigt, doch die ebenso schmerzliche wie reale Liebesgeschichte zwischen Abaelard und Heloise bekannt sein, die sich zu Beginn des 12. Jahrhunderts im heutigen Frankreich abspielte.

Doch es gab noch mehr Liebende, die sich gegen alle Konventionen stellten.

Sogar die urkundliche Ersterwähnung von Nürnberg fußt auf einer bewegenden Liebesgeschichte gegen jede Standesunterschiede, denn in der sogenannten Sigena-Urkunde wird eine gleichnamige Leibeigene frei gesprochen, damit der im Dienst des Kaisers stehende Adlige Richolf sie zur Frau nehmen kann.

Aus dem zentraleuropäischen Hochadel des Frühmittelalters sind mir nicht wenige reale Lovestories bekannt, bei denen Hollywood blass würde.

Nur ein Beispiel, das sogar ein Happy End aufweist:
Hochwohlgeborene Königstochter lässt sich von schmuckem Mitglied des untersten Adels „entführen“ und flieht quer durch Europa vor der Rachsucht des Vaters, ehe in Rom der Papst selbst dem Paar Asyl gewährt und dem König die Leviten liest, sodass der grummelnd seinen Segen gibt.

Lust bekommen, mehr über all das zu erfahren?

Dann kaufe und lies DIE 13. JUNGFRAU, die am 30.11. bei Schruf&Stipetic erscheint.

* Vielen herzlichen Dank, Rebecca Gablé – als ich die oben zitierten Zeilen auf Ihrer Webseite las und mich spontan die Eingebung packte, diesen Ausspruch zu rebloggen, habe ich nicht erwartet, binnen 12 Stunden Antwort zu erhalten.
Noch viel weniger rechnete ich mit Ihrer Erlaubnis, dies tun zu dürfen.
Diese dann aber noch garniert mit den besten Wünschen für mein Baby zu erhalten – das bewegte mich dann wirklich sehr!
Wow, wenn ich Sie nicht bereits bewundern würde, auf diese Weise hätten Sie Ihren treuesten Fan gefunden.

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