Deine Wahl: Kollektivismus oder Individualismus

Beitragsbild von geralt / bearbeitet

Jule Uhl stellte auf Facebook fest, dass wir heute die Wahl haben zwischen

Kollektivismus

und

Individualismus

Ich möchte Jule Uhl danken für Ihren Denkanstoß.
Hier das, was ich darauf geantwortet habe:

Ich bin eh für Aleokratie – die zufällige Auswahl von Abgeordneten aus der Menge der Wahlberechtigten, einmalig im Leben für die Dauer einer Legislaturperiode.

Denn Parteien – auch wenn sie in ihrem Programm die Theorie des Individualismus hochhalten, funktionieren ihrerseits immer nur als Kollektiv.

Einschub: Falls Parteien nicht sowieso als das Grundübel unserer katastrophalen Situation angesehen werden müssen.

Sprich: Es kommt nicht der in Parteiämter, auf Listenplätze oder als Direkrkandidat auf Plakate, der objektiv am geeignetsten ist – sondern derjenige, der in der Lage ist, die relevanten Strippenzieher innerhalb der Partei zu überzeugen.
Denn die Parteimitglieder wählen fast immer den, der von einer Mehrheit oder von den Tonangebenden vorgeschlagen wird.

Wählen sie doch mal den Außenseiter, bekommt der das prompt von der Partei zu spüren.

Einschub: Zeit für die Betätigung in politischen Parteien haben generell Leute, die anderweitig nicht ausgelastet sind. Welcher Typus sich dort überproportional zur Verteilung in der Bevölkerung findet, habe ich bereits in einem anderen Artikel zusammengefasst.

Hoffnung auf Wiederwahl im etablierten Parteiensystem kann sich der Außenseiter nur machen, wenn er im Sinne der Parteiführung funktioniert.

Wenn schon nicht Aleokratie möglich sein wird – ein wirklich gutes Konzept, wie ich finde, weil es den realen Querschnitt des Wahlvolks viel besser abbildet als die derzeit gewählten Abgeordneten, die sich überwiegend aus Akademikern, Beamten und Studienabbrechern rekrutieren – so sollte es zumindest eine Amtszeitbegrenzung geben.

Am besten in Verbindung mit einer Festlegung, dass es keine Berufspolitiker geben darf (in der Schweiz zB so gehandhabt).

A propos Schweiz: Volksabstimmungen haben sich dort auch als heilsames Antidot zur Ablösung der Politikerkaste vom realen Leben erwiesen. (Dazu gab es einen guten Artikel, ich glaube von der NZZ, den ich gerade nicht mehr finde …)

Summa summarum:

Da ich nicht erwarte, dass ausgerechnet Deutschland in Sachen Demokratie einen großen Wurf hinbekommt, würde ich es begrüßen, wenn die Schweiz die südlichen Teile des „großen Kantons“ annektieren würde.
🤪

Passiert auch nicht.

Ergo bleibt nur innere oder reale Emigration.

PS: Die 5-%-Hürde ist auch so ein in Stein gemeißelter Ausdruck der Bevorzugung des Kollektivismus durch unser System.

Individuellere Ansätze von Kleinparteien bekommen keine Chance, gehört zu werden.
Sie werden ausgesiebt, wenn sie es nicht schaffen, ein Kollektiv von 5 % zu überzeugen.
Bei 60 Mio Wahlberechtigten sind das je nach Wahlbeteiligung die Stimmen von zwischen 1,5 und 3 Mio Menschen, die bei 4,99% unter den Tisch fallen.

Ein weiteres Problem sind in meinen Augen die straff kollektivistisch aufgebauten NGOs, die zahlenmäßig nur eine extreme Minderheit darstellen, aber auf ein Fingerschnippen hin ihre „Truppen“ mobilisieren können – während der Durchschnittsbürger sich bei der Anmeldung einer Kundgebung erst mal mit wochenlanger Überzeugungsarbeit von Individuen herumschlagen muss, die (zu Recht!) bei jedem Punkt der Außenwirkung mitbestimmen wollen.
(Ja, hier bellt der getroffene Hund, ich habe mehrere Kundgebungen organisiert und angemeldet)

Einschub: Kollektivistisch oder individualistisch ist ja auch DIE grundsätzliche Frage in der Bewältigung der Corona-Krise.Vertrauen wir auf die Eigenverantwortlichkeit des mündigen Bürgers oder brauchen wir einen Nannystaat, in dem die Mutti resp. ihr Nachfolger die unartigen Arbeitsdrohnen und Steuerkühe ins Bett schickt?

Angesichts der zunächst existenziell bedrohlich erscheinenden Krankheit war ich anfangs auch dafür, mehr als Kollektiv denn als Individuum zu handeln – um die besonders vulnerablen Gruppen zu schützen. Als diese Minderheit sich jedoch im Zuge der Pandemie ein Beispiel nahm am hysterischen Gelärme nicht repräsentativer NGOs, war es dann auch bei mir mit dem Guten Willen des kollektiven Handelns vorbei.

Aus Bequemlichkeit, den eigenen – ungesunden – Lebensstil zu ändern, um sein individuelles Risiko zu senken, dann der großen Mehrheit der Bevölkerung ohne Risikofaktoren das Leben zu verbieten oder gar ein medizinisches Experiment aufzuzwingen – das fällt für mich eindeutig unter die von Jule Uhl erwähnten unschönen Blüten des Kollektivismus.

Was ist eure Meinung, eure Einschätzung? Welches Rezept habt ihr? Welcher Pfad könnte uns aus dieser Sackgasse führen?

Ich schließe mich Jule Uhls Aufforderung an, hier jetzt keine Wahlempfehlungen auszusprechen oder Parteien zu nennen.

Auf eine rege Diskussion!

Ein Gedanke zu „Deine Wahl: Kollektivismus oder Individualismus“

  1. Hallo Katharina,
    Asche auf mein Haupt! Nachdem wir wegen Deinen Romanen bei Lovelybooks in Kontakt standen, hatte ich diese Seite aufgerufen und den Tab im Browser tatsächlich behalten. Heute habe ich nun den Text gelesen und möchte meine Meinung dazu sagen. Im Moment ist ja die Spaltung der Gesellschaft, die in der Pandemie begann, eher noch weiter am klaffen. Dies ist ein ‚gutes‘ Beispiel für die Unfähigkeit des Parteiensystems, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Ich habe selbst meine Erfahrungen gemacht, bin Anfang 1990 in die SDP eingetreten (die später in der SPD aufgegangen ist), und vor der Pandemie ausgetreten, da ich die großen Koalitionen mit der CDU in Thüringen und später im Bund als Fehler empfand – die Mehrheit der Mitglieder hatten dafür gestimmt, leider.
    Ich will mich jetzt nicht hinstellen und sagen, ich hatte Recht, aber wie sich gezeigt hat, war es schlecht für die Partei. Das hierarchische System ‚Ortsverband – Kreisverband – Landesverband – Bundespartei‘ sorgt dafür, dass Menschen mit dem Willen zur Macht an die Schalthebel gelangen, und nicht die Fähigsten.
    Und deshalb finde ich die Aleokratie als Alternative sehr interessant, sehe aber einige Probleme damit. Was passiert nach der einen Amtsperiode, gibt es den Arbeitsplatz noch, kann das Studium fortgesetzt werden, was ist mit der eigenen Firma? Dafür müssen Lösungen gefunden werden.
    Eine tragfähige Lösung zu finden ist schwer, zu viele unterschiedliche Menschen und Meinungen. Ein erster Schritt wäre der Wegfall der 5%-Hürde, damit auch kleinere Parteien (wie die, in der ich jetzt bin – ein Schelm, der Arges dabei denkt) mitreden können. Die Regierungsbildung stelle ich mir noch schwieriger als die letzte.
    Ich denke, Du bist an Meinungen interessiert, deshalb habe ich dies geschrieben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert