Hintergründe – aus dem Fundus der Autorin | Wie feierten Wikinger Weihnachten?

Gerade sitze ich in den letzten Zügen zur Rohfassung der Fortsetzung von DIE 13. JUNGFRAU, und ich hadere mit der Schwierigkeit, mich in die richtige Stimmung zu versetzen.
Denn auf dem Plot-Plan steht, dass ich etwas über den Winter, die Weihnachtszeit schreiben muss – draußen im Garten blühen aber schon die ostereierfarbenen Nester der Krokusse, die Vögel schlagen Kapriolen und singen Arien und sogar die Knospen von Narzissen, Hyazinthen  und der Zierkirsche im Garten sind kurz vorm Aufbrechen.
Gut, ich könnte in meinen winterlichen Kurzroman WEIHNACHTEN AUF LUXULYAN hineinlesen, den es letztes Jahr als Weihnachtsgeschenk beim Verlag gab.
Aber wer mag schon aufgewärmten Kaffee?

Ich nicht, und deshalb bringe ich mich jetzt kurzerhand in Weihnachtsstimmung, indem ich einen weiteren Artikel von videnskab.dk übersetze, der die Behauptung aufstellt „Wikinger waren unübertroffene Weihnachtsgastgeber„.

Brutale vikinger var uovertrufne juleværter 

Billedet af den barske og øl-glade kriger, der levede i en verden uden regler, er ofte det, der først dukker op på nethinden, når nutidens danskere hører ordet viking. Virkelighedens billede er dog langt fra så enkelt. 
Af: Tania Lousdal Jensen, Sagnlandet Lejre
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Wikinger waren unübertroffene Weihnachtsgastgeber

Das Bild des harten und bierseligen Kriegers, der in einer Welt ohne Regeln lebte, ist oft das, was auf der Netzhaut heutiger Menschen erscheint, wenn sie das Wort Wikinger hören. Doch das wirkliche Bild ist bei weitem nicht so einfach.
Von Tania Lousdal Jensen, Sagnlandet Lejre
Brutale Plünderungen, Männer, die sich nahmen, was sie wollten, eimerweise Met tranken und auch sonst taten, was sie wollten.
So werden die Wikinger der Vergangenheit oft dargestellt. Aber das ist zumindest in einigen Bereichen weit von der ganzen Wahrheit entfernt.
Denn obwohl es für Fachleute oft schwierig ist, eine Aussage zu treffen was die Weltanschauung, Moral und Ethik der Menschen angeht, die vor etwa 1000 Jahren gelebt haben, ist Hilfe zur Hand, wenn es um die Wikinger geht.
Eines der besten Gucklöcher, die wir in ihre Welt besitzen, sind die Edda- und Skaldendichtung.
Die vielen Geschichten von Göttern, Helden und Königen wurden ursprünglich mündlich überliefert, und obwohl sie erst am Ende der Wikingerzeit niedergeschrieben wurden, geben sie uns einen seltenen Einblick in die zeitgenössischen Werte und Bräuche.

Hávamál – des Hohen Rede

Unter den Gedichten der Edda findet man den Text Hávamál, der mit seinen 164 Strophen ziemlich viel Wissen aus der Wikingerzeit enthält. Der Name, der „des Hohen Rede“ bedeutet, bezieht sich auf Odin, und die vielen Strophen handeln von allem, von gesundem Menschenverstand im Alltag über gutem Verhalten bei einem Fest bis hin zur Bedeutung eines guten Rufs.
Die Hávamál bietet eine Vielzahl an Maximen, Ratschlägen, wie ein weiser Mann sich verhalten sollte, und nicht wenige moralische Überlegungen, die einige der grundlegenden Werte erklären, die das Mannsvolk haben sollte.
Zu einigen von ihnen können die meisten modernen Dänen zustimmend nicken, aber taucht man tief in die vielen Zeilen des Gedichts, erhält man dadurch auch ein differenzierteres Bild der wikingerzeitlichen Menschen, als das, was oft dargestellt wird.
In einigen der vielen Zeilen der Hávamál kann man lesen, dass weder Ehebruch, Diebstahl oder Trunkenheit unter den Wikingern verpönt waren, wenn sie sich auf den heimischen Höfen bewegten.

Hávamál Vers 131

Sei vorsichtig, doch nicht über Gebühr,
Hüte dich am meisten vor dem Bier,
und vor eines Anderen Ehefrau,

zum Dritten vor der List der Diebe.

Barbarische Wikinger mit guten Manieren

Die Wikingerzeit war nicht ohne Lebensregeln. Der barbarische Krieger, den viele sehen wollen, hatte, so langweilig es klingt, ganz gute Manieren – sofern er die alten Texte als Vorbild für gutes Verhalten gelebt hat.
Ein weiser Mann ist nach der Hávamál ein Mann, der vorsichtig ist mit Worten und mit Bier, und der um seinen Witz, seinen Appetit und seine Alkoholtoleranz weiß.
Letzeres kann für die Wikinger ebenso hart gewesen sein, wie es für einige der heutigen Dänen ist.
Mindestens sieben Strophen enthalten eine Warnung, nicht zu tief in den Becher zu sehen.  

Hávamál Vers 6

Ein Mann sollte sich nicht zuviel auf seine Größe einbilden,
sondern wachsam seinen Verstand nutzen,
klug und still soll er zur Festtafel kommen;

über die Achtsamen kommt selten Schaden,
denn niemand kann einen treueren Freund finden,
als den Reichtum von Mutterwitz.

Hávamál Vers 7

Als vorsichtiger Fremder, der Erfrischung sucht,
bleib still mit aufmerksamem Gehör,
lausche mit deinen Ohren und sieh mit deinen Augen;

denn ein weiser Mann wird den Weg auskundschaften.

Hávamál Vers 12

Schlechter als man sagt, ist das Bier für die Menschensöhne,
ist der häufige Genuss von Bier;
denn je mehr sie trinken, umso weniger können sie denken,
und ihren
Mutterwitz einsetzen.

Hávamál Vers 13

Der Reiher des Vergessens flattert über Biergelage,
vertreibt der Männer
Mutterwitz;
mit den Federn dieses Vogels war ich einmal gefesselt,
in Gunløds Gehege.

Hávamál Vers 21

Selbst das Vieh weiß, wann es Zeit ist heimzukehren,
und kehren willig von der Weide um;
doch es wurde noch nie ein Dummer gefunden,
der seines Magens Maß kennt
.

Die Gastfreundschaft im Fokus

Aber obwohl die Hávamál vor Gelagen und Bier in großen Mengen warnt, gibt es einige Hinweise darauf, dass die Wikinger es geschätzt haben, wenn sie ihren zum Fest geladenen Gästen sowohl nass als auch trocken einen ordentlichen Standard bieten konnten.
Bereits in den ersten Strophen werden Tipps gegeben, wie man als Gastgeber zur Wikingerzeit den Gast begrüßen sollte:

Hávamál Vers 3

Er braucht Wärme, der gerade angekommen ist,
taub vor Kälte bis zum Knie
;
Essen und Bekleidung begehrt der Wanderer,
der über das frostige Gebirge kam.

Hávamál Vers 4

Er begehrt Wasser, der zur Bewirtung kommt,
ein Handtuch und freundliche Angebote
;
mit Zeichen guten Willens kann man gewinnen,
Dank und Wiedervergeltung.

Wenn man jemanden auf Wikinger-Art Willkommen heißen will, sollten beide grüßen, freundlich und höflich sein und dem Gast warme, trockene Kleidung und etwas zu essen und zu trinken anbieten.
Die Hávamál ist nicht die einzige Quelle, die darauf hinweist, wie wichtig es war, ein gutes Fest zu veranstalten.
Ein weiteres Beispiel liefert die Saga von Erik dem Roten, wo die Hauptfigur im Winter ganz schlechter Laune ist.
Das Problem für Erik, der sonst dafür bekannt ist, zu guter Stimmung zu neigen, besteht darin, dass er nicht genügend gute Geschäfte gemacht hat, um seinen überwinternden Gästen ein Julegilde (Weihnachtsfest) von ordentlichem Standard zu bieten.
»Es ist vielmehr so, dass ich fürchte, dass — wenn ihr woanders hin kommt — ihr feststellt, dass ihr kein schlechteres Jul erlebt habt als das nun unmittelbar bevorstehende, als ihr Gäste wart von Erik dem Roten auf Brattalid in Grönland.«
Zum Glück für Erik bieten ihm seine Gäste an,  ihm zum Dank für seine Gastfreundschaft sowohl Getreide, Mehl und Malz zu spenden, damit er ihnen ein würdiges Weihnachtsfest mit Bier und Nahrung in Hülle und Fülle bieten kann.

Fleisch, Alkohol und gute Gespräche

Wie der gute Wikinger-Gastgeber Fleisch, Alkohol und gute Gespräche auftischte, kann man auch in dem Lied Rígsþula (Rigs Wanderung) lesen. 
Rigs Wanderung ist ein Teil der Lieder-Edda und erzählt die Geschichte des nordischen Gottes Heimdall, der die Erde besucht, in drei verschiedenen Häusern Festen beiwohnt – und unterwegs zum Vater der ersten Söhne des Knechts-, Bauern- und Adelsgeschlechts wird.
Das Gedicht erzählt, wie Heimdall in jedem Heim empfangen wird.
Und obwohl die Urgroßmutter in der verarmten Knechthütte ihr bestes tut, und klebriges Brot und andere Leckereien dem hohen Gast zum gekochten Kalb anbietet, so dient doch der Empfang im dritten und besten Haus als leuchtendes Beispiel dafür, wie man angenehme Besucher aufnimmt:
Dann nahm Mutter
die gemusterte Tischdecke
aus glänzendem Flachs,
versteckte darunter den Tisch,
dann nahm sie
dünnes Brot
aus glänzendem Weizen
und versteckte darunter die Tischdecke
Schließlich sie
füllte die Gerichte
in silberne Schalen,
darauf schichtete sie
Fleisch vom Schwein und anderem Vieh
und gebratene Vögel,
Wein war in der Kanne,
die Silberbecher bekamen Übergewicht,
und sie tranken und redeten,
bis der Tag graute.

Wenn man die alten Texte auf einen großen Haufen legt, endet man mit dem klaren Gefühl, dass die Wikinger in höflichem Benehmen und guter Gastfreundschaft aufgingen.
Ob die einzelnen Wikinger die Standards der alten Texte zu jeder Zeit eingehalten haben und alle Mahnungen beachteten, ist ungewiss.
So oder so scheint es, als ob sie eine gute und gutgeplante Feier geschätzt hätten.
Da eine solche Feier, wie das heutige Weihnachtsfest, sich manchmal in ein überdimensionales Saufgelage entwickeln kann, ist vielleicht der Grund, weshalb sich in der Hávamál so viele Ermahnungen finden, mit dem Bier vorsichtig zu sein.      
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So weit berichtet der Artikel aus videnskab.dk.
Bin ich nun in der passenden Jule-Stimmung für das Schreiben eines Kapitels über das Weihnachstfest?
Ich denke schon. Melwyn wird darauf achten, dass sie das Holz der Tafel in der Halle erst unter einem feinen Leinentischtuch, dann unter hellem Weizenbrot und schließlich unter Schüsseln voll Fleisch und Kannen voll Wein verschwinden lässt, und Ifill wird in seiner gewohnten Art jederzeit Höflichkeit und Zuvorkommen ausstrahlen.
In diesem Sinne: God Jul!

Ein Gedanke zu „Hintergründe – aus dem Fundus der Autorin | Wie feierten Wikinger Weihnachten?“

  1. Die Darstellung der Wikinger und hier wohl ganz besonders des der kleinen Comicfigur bleibt uns nunmal in den Köpfen. Und diese zeigt einen Mann, spärlich bekleidet, Helm auf dem Kopf, das Wikingerschwert immer am Mann und natürlich ein Abenteuer nach dem anderen erlebend. Die Wahrheit dürfte ganz anders aus gesehen haben

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