Die Natur des Menschen

Beitragsbild von jplenio

Von meiner Uroma – die mir als kleines Mädchen auf die Finger gehauen hat, weil ich in meinem Forscherdrang die Tulpen in ihrem Vorgarten geköpft hatte – wurde mir berichtet, dass ihr Mann, mein Uropa, in der harten Zeit nach der Weltwirtschaftskrise, als sie das schmale Gehalt des Postboten mit der möblierten Vermietung von Zimmern im neugebauten Haus aufbesserte (und die fünfköpfige Familie in einem Zimmer zusammenrückte), ihr irgendwann vorschlug, doch eines der vielen armen, arbeitssuchenden Mädchen als Hilfe „in Stellung“ zu nehmen.

“Nein“, lehnte sie der Familienlegende nach ab. „Danke, aber ‚Nein, Danke“.
Zum Personalhalten muss man geschaffen sein.“

Daran musste ich denken, als ich die äußerst lesenswerte Rede der kanadischen Ethikerin Dr. Julie Ponesse las (hier die deutsche Übersetzung auf dem Blog von Bastian Barucker)

„Welchen Sinn hat der Versuch, jemanden zu emanzipieren, der nicht erkennt, dass er nicht wirklich frei ist?“

Ich glaube, das ist das Grundproblem.

Die überwiegende Mehrheit der Menschen war zum überwiegenden Teil der Zeit unfrei:
Hörige Bauern, Knechte und Mägde, Untertanen.

Das Prinzip des „Survival of the fittest“ hat zu einer Selektion hin zu jenen geführt, die sich wegduckten, unterordneten, nicht die Stimme erhoben haben – um zu überleben.

Wir, die wir anders ticken, sind seltene und seltsame Ausnahmen von der Regel.

Ich empfehle in dem Zusammenhang das Buch „The WEIRDest People of the World“ von Joseph Henrich, um zu erkennen, dass wir es sind, die uns außerhalb der „Norm“ (als dem, was die Mehrheit tut) befinden.

Das Dilemma ist, dass die Mehrheit nicht willens oder in der Lage ist, die mit der Freiheit einhergehende Eigenverantwortung zu übernehmen.

Wieso heißt es „Vater Staat“?

Wieso heißt es „Vater Staat“, weshalb nennt man den Ministerpräsidenten „Landesvater“, versteigt sich zur Bezeichnung „Mutti“ für die kinder- und seelenlose Angela Merkel?

All das ist für mich Ausdrucks des Wunsches nach elterlicher Sorge.
Die Leute sehnen sich nach einem starken Papa, der hinaus in die Welt geht, die kleine Familie beschützt und dafür sorgt, dass die Heizung läuft und das Konto gefüllt ist.
Sie wünschen sich eine fleißige Mama, die sie bekocht, die Wäsche macht, aufräumt und staubsaugt.
Und wenn die Eltern dann im Gegenzug auf den Tisch hauen, „so lange du die Füße unter meinen Tisch streckst …“ – wird der Kopf eingezogen und gehofft, dass das Gewitter sich verzieht. Aber nicht daran gedacht, auszuziehen und auf eigenen Beinen zu stehen.

Man möchte verzweifeln, wenn man erkennt, dass man so allein und auf verlorenem Posten der schieren zahlenmäßigen Übermacht der „Fittest“ gegenübersteht. Von deren zunehmender Aggressivität ganz zu schweigen.

Zwischendurch möchte man diese Leute packen und schütteln, möchte sie wachrütteln und ihnen in den Kopf hämmern:

„Wage es, dich zu befreien! Spring ins Wasser! Es mag kalt sein und tief – aber glaub an dich: Du kannst schwimmen!“

Aber was bringt es? Was geschieht mit Kindern, die zum Schwimmenlernen ins Becken geworfen werden? Entwickeln sie sich zu Wasserratten? Wohl kaum. Eher leiden sie zeitlebens unter einer Phobie.

Man kann Menschen nicht gegen ihre Natur umformen. Sie sind kein Knetgummi, das man in beliebige Formen pressen kann.

Dieser Illusion geben sich die Linken mit ihren Utopien hin.

(Die Konservativen hingegen möchten die Stangen mit dem Plastillin am liebsten in ihrer Klarsichtfolienhülle unberührt und unverändert schlummern lassen wie weiland Schneewittchen in seinem gläsernen Sarg.)

Astrid Lindgren kommt mir wieder in den Sinn. Auch mit Zuckerbrot kann aus den Menschen nichts herausstreicheln, was nicht als Kern in ihnen vorhanden ist.
Wenn da kein Fünkchen Freiheitsliebe glimmt, ist jeder Versuch der Aufklärung vergebens. Und wird sie zu vehement vorgetragen, bläst sie mit Heftigkeit das winzige Glutnest aus.

Nur Liebe, Humor, Geduld, Leichtigkeit – sprich, positive Gedanken, können den Keim der Freiheit im Einzelnen zum Wachsen bringen. Ein langwieriges Unterfangen. Mit fraglichem Ausgang.

Und doch gibt es Anlass zur Hoffnung.

„Oft hört man in letzter Zeit, die deutschsprachigen Länder seien besondere „Impfmuffel“. Kann es sein, dass die Geschichte doch Spuren hinterlassen hat? Dass der eine oder andere – unabhängig vom Thema – gewisse Verhaltensweisen wiedererkennt und ablehnt?“ – dies schreibt Annette Heinisch auf Achgut
„Und ist der Gedanke eigentlich abwegig, dass es sehr begrüßenswert ist, wenn ein nicht unerheblicher Teil des Volkes offenbar aus der Geschichte gelernt hat und sich nicht mehr mit manipulativen Methoden gängeln lassen will? Wenn Freiheit und Selbstbestimmung hohe Güter für sie sind?“

Fazit:
Wir sind die Minderheit.
Aber gar so wenige, wie man uns glauben machen will – die sind wir nicht.

Ich möchte Jan-Josef Liefers‘ Spruch zum Abschluss vom Kopf auf die Füße stellen:

„Zweifeln Sie ruhig – aber verzweifeln Sie nicht!“

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