von Jule Woll, erstveröffentlicht auf X (13.05.2025 14:18 h)
„Ich war heute Zuschauer einer Gerichtsverhandlung zu einem Tweet, der von einer Abgeordneten (die war natürlich nicht da) angezeigt wurde, inklusive Hausdurchsuchung damals.
Kurzform: es gab keine Verhandlung, Urteil stand schon fest, einzig die Frage ob der Beklagte die 40 Tagessätze akzeptieren will, weil sonst wird es eher teurer, stand zur Debatte.
Hier mein persönlicher Bericht (lang und subjektiv):
Vorgeschichte zum Verständnis:
Zeit der Impfpflichtdebatte.
Eine Abgeordnete schrieb, dass die Impfpflicht ab 18 das MILDESTE MITTEL sei und sie dafür stimmen wird.
Angezeigt hat sie viele Antworten darunter, denn viele reagierten auf die Behauptung mildestes Mittel sehr emotional.
Für viele war es eine absolut reale Bedrohung diesem milden Mittel zugeführt zu werden.
Besonders für Menschen die bereits schwere Impfschäden in der Familie erlebt hatten.
So ging es dem Beklagten. Er schrieb eine emotionale Antwort, mit klarem Bezug auf die Formulierung mildestes Mittel, die in dem, ja überzogenen, Satz gipfelte, dass so etwas (mildestes Mittel) nur faschistische Eugeniker sagen könnten.
Verhandlung:
Um diesen Satz drehte sich auch die Anklage.
Grundlage war der Majestätsbeleidigung-Paragraph und die vorgenommene Gleichsetzung der armen Abgeordneten mit dem schlimmsten möglichen Bösen.
Dies sei im Bewusstsein das Ansehen der Abgeordneten zu beschädigen geschehen.
So die verlesene Anklage.
Danach übernahm die Richterin.
Sie drückte aus, keine Ahnung von Twitter zu haben und es ging kurz darum, ob dem Angeklagten bewusst war, dass es sich um eine Abgeordnete handelte.
Aber auch das brach sie schnell gelangweilt ab und teilte folgendes mit:
Sie habe sich lange Gedanken gemacht und mit Kollegen gesprochen, ob es noch freie Meinungsäußerung sei, besonders in der Zeit der äußert umstrittenen allgemeinen Impfpflicht, die dann ja auch nicht kam (wozu dieser Hinweis?), aber die „faschistischen Eugeniker“ seien eine Gleichsetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit, wo unwertes Leben vernichtet wurde.
Der Anwalt meinte, daß er dazu Ausführungen hätte.
Brach sie gleich ab.
Meinte es gäbe keinen Präzedenzfall dazu, also zähle ihre freie Entscheidung nach Rücksprache mit Kollegen sei dies Formulierung einfach „zuviel“.
Dann stellte sie in den Raum, dass es bei weiteren Instanzen nur noch teurer würde und sie nicht sieht, dass andere das anders entscheiden und empfiehlt eine Pause zur Beratung, ob man nicht einfach den Strafbefehl (40 Tagessätze sprich Eintrag ins Führungszeugnis) akzeptiert, also Einspruchsrücknahme – was dann auch passierte.
Sie nahm also ohne Verhandlung ihr Urteil vorweg und sah es als Entgegenkommen hier dieses Angebot zu machen.
In der Pause plauderte ich mit der Richterin (sie ist an sich sehr umgänglich) und nutzte kurz die Chance für eine Frage.
Erkundigte mich, ob es faktisch individuelle Entscheidungen sind und in wieweit der individuelle Hintergrund bei der Urteilsfindung einen Einfluss habe.
Sie bestätigte, dass es immer individuell sei und natürlich der Hintergrund einen Einfluss auf das Urteil habe.
Ich merkte an, dass dies ja hier noch gar nicht geschehen sei, es wurde nichts erhoben aber doch das Urteil irgendwie vorweg genommen.
Natürlich wollte sie dann nichts mehr sagen.
Der Beklagte hat nach Beratung mit dem Anwalt den Strafbefehl akzeptiert, denn es wäre ein teures Lotteriespiel in der nächsten Instanz.
Eigentlich müsste man bis zur höchsten gehen um endlich eine Klärung darüber zu haben, wie mit „Vergleichen“ (faschistisch ist nicht nur NS und Eugenik gibt es noch heute) umgegangen wird.
Hier jedenfalls wird nichts milderes angenommen.
Die Richterin verstand die Äußerung als „Beseitigung unwerten Lebens“ und als nichts anderes.
Individuelle Umstände z.B. Bedrohung durch den Staat, die damals viele Ungeimpften exakt so erlebten, spielten ebenfalls keine Rolle.
Fazit:
Ich gehe mit einem erneuten Erleben absoluter Machtlosigkeit/Hilflosigkeit aus dieser Verhandlung.
Weiter ist der Staat selbst eine Bedrohung für Menschen, die sich gegen ihn bei eigentlich höchst persönlichen Angelegenheiten wehren.
Irgendwann lache ich nur noch zynisch, wenn es heißt, dass in unserer Demokratie alle die gleichen Rechte hätten.
Haben sie nicht.
Wenn dazu die Meinungsbildung der Richterin bereits vor dem Termin abgeschlossen ist, dann empfinde ich das als mit meinem Verständnis eines Rechtsstaats unvereinbar.
Es wirkt nicht wie eine Verhandlung nach Recht und Gesetz (war dann ja auch keine) sondern wie ein Reflex auf die Worte faschistisch und Eugenik.
Kann man unmöglich finden, aber den Versuch vom Anwalt hier für Begriffsklärung zu sorgen mit „ach das ist Wortklauberei“ abzutun, sagt schon viel aus.
Gesetze sind immer Wortklauberei.
Aber hier sitzt eine Amtsrichterin und meint nach gut(*-mensch) Dünken einfach dem Beklagten mitzuteilen, dass sie schon weiß wie es ausgeht und zwar überall und ihm netter Weise die ganzen Kosten ersparen will.
So hatte ich mir das wirklich nicht vorgestellt.
Ende.
Hintergrund (von Katharina Münz)
Im Juli letzten Jahres erreichte mich auf X (ex Twitter) folgende Privatnachricht, die ich mit Einverständnis des Verfassers hier veröffentliche:
„Liebe Frau Münz,
haben Sie ganz vielen Dank für Ihr Buch „Stürmer mit Superzahl“. Es war meine Urlaubslektüre und obwohl es eine schöne Liebesgeschichte ist, hat sie viele – auch schwere Gefühle- bei mir ausgelöst. Sie haben das ganz wunderbar gemacht wie Sie die Geschichte mit den Maßnahmen und dem unmenschlichem Gebahren damals verknüpft haben.
Auch wir als Familie haben es so erlebt: Ausgrenzung, Existenzängste, Verzweiflung, Sorge um die Kinder, Freunde die sich abwenden. Vor genau 2 Jahren stand dann auch die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Die Kinder haben alles mitbekommen. Es ging um einen Twitter Beitrag welcher einen Vergleich gezogen hat (Sie wissen schon…)
Da wir das „Angebot “ einer Strafe von 800 Euro nicht angenommen haben geht es nun vor Gericht. Ich hoffe wir bekommen auch unser Happy End.
Trotz allem ziehe ich auch viel Stärke aus dieser Zeit, ich weiß was wirklich wichtig ist und wer auch wirklich hinter mir steht. Ich habe meine Kinder geschützt, sie können gesund aufwachsen.
Ihr Buch ist ein wichtiger Beitrag um sich daran zu erinnern, diese Zeit zu dokumentieren. (Ich habe alles gesammelt und ein kleines Archiv angelegt)
Was mir momentan am meisten zu schaffen macht ist der Umstand, dass so getan wird als wäre nichts gewesen. Ich sage trotzdem was und bleibe „unbequem“.
Also, nochmal vielen Dank und ein großes Kompliment an Sie als Autorin. Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Heute schrieb mich der Leser erneut an und bat mich, Jule Wolls X-Posts zu seinem Gerichtsverfahren zu teilen.
Es gab leider kein Happy End vor Gericht.
Aber ich werde alles tun, um die Erinnerung an die Helden der Coronazeit wachzuhalten.
Ja, es mag vielleicht übertrieben gewesen sein, in der inneren Aufruhr wegen der empfundenen Bedrohung die Begriffe Faschismus und Eugenik zu verwenden.
Ganz sicher aber war es übertrieben, wegen einer mittelschweren Grippe die Bevölkerung in eine Gentherapie zu treiben bzw. zwingen zu wollen.
Beitragsbild von William Cho
Nachdem was jetzt alles raus kommt (was ja nur ein Teil der Wahrheit ist) wundert mich dieses Urteil umso mehr. Ich habe wirklich gedacht dass dieses Urteil Freispruch wegen:da würden mir viele Gründe einfallen die ich hier gar nicht alle aufzählen möchte nur eins, wegen freier Meinungsfreiheit.
Ich verliere so langsam den glauben an unseren Staat und ich bin in West Berlin aufgewachsen und habe Freunde die im Ostteil dieser Stadt aufgewachsen sind und die sagen immer wieder dass ihnen das von früher sehr bekannt vor kommt.
Ich rate jedem jungen Menschen wenn ich gefragt werde,wenn er die Möglichkeit hat zu gehen, soll er es machen. Ich weiß dass ich ihnen raten müsste hier zu bleiben um diesen Staat wieder auf den richtigen Weg zu verhelfen aber ich habe das Gefühl dass das nicht mehr möglich sein wird weil einige Menschen hier zu viel macht haben und wenn man sich denen nicht unterordnet kommen solche Urteile zustande. Schade ich bin zu alt und muss bleiben da ich nicht mehr die Kraft und Gesundheit habe wo anders noch einmal anzufangen
Schönen Tag noch